Hebräische Wörter Definiert

SUBSTANTIV ODER VERB?

Glaube Teil 1

Das Wort Glaube kommt - wenn du meine Wenigkeit fragst - gleich nach dem Wort Gesetz in der Wertigkeit der am meisten missverstandenen Wörter der Heiligen Schrift. In vielerlei Hinsicht hat es inzwischen eine Bedeutung angenommen, die in fast alle Bereiche des Lebens von Religion bis Sport passt. Es gibt seit einiger Zeit auch „Faith“ (Englisch für „Glaube“; a.d.Ü.) als Vornamen. Das Wort ist Teil unseres täglichen Vokabulars geworden. „Du musst an dich glauben, Schätzchen!“, „Das mag glauben, wer will!“, „Fehlt dir der Glaube dafür?“, „Wer’s glaubt, wird selig.“, „Kaum zu glauben!“, „Ich glaube, du hast Recht!“. Diese und ähnliche Formulierungen hören wir oft unter unseren Mitmenschen. Auch in der modernen Christenheit hören wir Redewendungen wie: „Was glaubst du?“. Oder jemand sagt: „Ich glaube nicht, dass seine Glaubensrichtung dieselbe ist wie unsere“. Glaube ist eins von jenen Wörtern, die immer wieder benutzt werden, bis sie ihren wahren Sinn verloren haben und eigentlich keine richtigen Wörter mehr sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass es ein Wort auf der Liste von Wörtern ist, die ich, wenn ich haSatan wäre, neu definieren würde! Denn sieh mal, wenn ich wüsste, dass „ ...der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber aus Gottes Wort....“ kommt, dann würde ich alles daran setzen, die Menschen von der rechten Verkündigung fernzuhalten. Ich könnte Menschen natürlich nicht daran hindern, das Wort YHWHs zu verkündigen, aber ich könnte alles daran setzen, die Verkündigung zu manipulieren, indem ich YHWHs Worte neu definiere. Das ist es, was nach hebräischer, schriftgemäßer Denkweise „die Auflösung des Gesetzes“ bedeutet (Mattityahu (Matthäus) 5,17). Wenn jemand die Worte YHWHs falsch interpretiert, dann ist das gleichzusetzen mit der „Auflösung“ Seiner Worte. Seine Worte richtig interpretieren, bedeutet, Sein Wort zu „erfüllen“. Mit dieser Erkenntnis können wir jetzt auch, Mattityahu (Matthäus) 5,17 besser verstehen.

Wie wir es bisher mit anderen Wörtern getan haben, wollen wir auch mit diesem so wichtigen Wort zurück zu seinem Ursprung gehen. Wir müssen die schriftgemäße Definition des Konzeptes, für das es steht, erforschen und nicht Opfer moderner Interpretationen werden. Da Glaube und glauben praktisch dasselbe ausdrücken, werden wir sowohl das Substantiv als auch das Verb untersuchen, um herauszufinden, was sie bedeuteten, als die Heiligen Schriften niedergeschrieben wurden. Was bedeutete das Wort Glaube für Avraham? Was meinst du, wollte Mosche zum Ausdruck bringen, als er dieses Wort benutzte? Als Havakuk (Habakuk) schrieb: „Der Gerechte wird durch den Glauben leben“, was denkst du, sollte das bedeuten? Aber die wichtigste Frage ist doch: was meinte YHWH, als Er dieses Wort ins Leben rief? Lass uns zum Anfang zurückkehren und das herausfinden.

Im Hebräischen gibt es da ein Wort, das die Basis ist für einige Wörter, die wir oft gebrauchen. Dieses Wort stellt natürlich wieder die verbale Wurzel dar, von dem andere abgeleitet sind. Das Wort, von dem wir sprechen, heißt ‘aman (אמוּן). Kommt dir das bekannt vor? Das sollte es. ‘Aman wird übersetzt mit „Glaube, treu, glauben, versichern, stillen (eines Säuglings)“. Es ist die Wurzel für die Wörter emunah (אמוּנה): “wahrheitsgetreu, beständig, Wahrheit, Treue” , emet (אמת): “Wahrheit, wahr, richtig” und natürlich für das Wort amen (אמן), “ahmäin” ausgesprochen. Das erste Erscheinen des Wortes ‘aman in der Schrift finden wir in Bemidebar (4.Mose). Mosche beschwert sich über den Auftrag, den YHWH ihm gegeben hat. Die Leute fallen ihm allmählich auf die Nerven. Darum sagt er in Kapitel 11:

Bemidebar 11:11-12Warum handelst Du so übel an Deinem Knecht? Und warum finde ich nicht Gnade vor Deinen Augen, dass Du die Last dieses ganzen Volkes auf mich legst? Habe ich denn dieses ganze Volk empfangen oder geboren, dass Du zu mir sagst: Trag es an deiner Brust, wie die Amme einen Säugling trägt, in das Land, das Du ihren Vätern zugeschworen hast?

Diese Formulierung “an der Brust wie die Amme einen Säugling trägt”, ist die übersetzte Bedeutung des hebräischen Wortes ‘aman (unser deutsches Wort Amme erinnert an seine hebräische Wurzel ‘aman! – A.d.Ü.). Dieses Wort wird im folgenden Alten und Neuen Testament immer mit Glaube übersetzt. Interessant, nicht wahr? Das ist es, was ich an der hebräischen Sprache so liebe: Wörter, die so vielschichtige Bedeutungen haben können, beruhen ursprünglich auf ganz alltäglichen, aus dem Leben gegriffenen Beschäftigungen. Mosche hat von YHWH den Auftrag bekommen, für die Israeliten, die sich wie rebellische Kleinkinder benahmen, eine Amme zu sein. YHWH wollte, dass er die Person ist, der diese aufmüpfigen Gören vertrauen könnten. Wahrer Glaube somit ist das bedingungslose Vertrauen, das ein hilfloser Säugling in seine sorgenden Eltern hat. Das Bild in unserem Text ist das von hilfesuchenden Kindern, die sich ganz auf ihren Vater verlassen, der sie wie eine Amme an seiner Brust trägt. Mosche beklagt sich dann weiter, dass er nicht in der Lage ist, sich um alle Probleme und Streitigkeiten dieser „Kinder“ zu kümmern. Darum sagt YHWH ihm, er soll 70 Älteste um sich versammeln, die in nicht so gravierenden Angelegenheiten Recht sprechen und mit ihm das Volk leiten könnten. Während der verbleibenden Jahre ihrer Wüstenwanderung suchten die Hebräer immer wieder die Weisheit YHWHs, indem sie Mosche oder die Ältesten danach fragten. Ihr Glaube fand seinen Ausdruck in dem kindlichen Vertrauen, dass es die Worte YHWHs waren, die sie durch das Leben begleiteten und führten und dass es nicht ihre bloße intellektuelle Akzeptanz Seiner Existenz war! Sie wussten, wer YHWH war. Sie wussten, wer Mosche war. Aus Yah’s Sicht war Glaube nicht ein Bekennen zu Seiner Existenz, nicht das Sammeln von Wissen und Erkenntnissen über Ihn, sondern das Vertrauen in Seine Worte, und das daraus folgende Handeln, das auf eben diesem Vertrauen basierte. Glaube bedeutete schriftgemäß, sich an YHWH wenden, wann immer man Seiner Hilfe bedurfte. Es bedeutete nicht, Seine Attribute anzuerkennen, sondern volles Vertrauen zu haben, dass Er immer genau wusste, was Er tat. YHWH wollte, dass Mosche Ihn, den unsichtbaren himmlischen Vater, als eine irdische Vaterfigur vertrat. Mosche sollte den Kindern Israels die Worte YHWHs übermitteln, aus denen sie lernen sollten, was für sie in jeder Lebenssituation und zu jeder Zeit das beste wäre. Ich habe in der Vergangenheit oft das Vater/Sohn Bild benutzt und damit versucht, zu veranschaulichen, was biblischer Glaube ist. Aber eigentlich beinhaltet dieses Wort viel mehr als das, was wir bei unserem Ringen um intellektuelle Allegorien jemals erforschen können. In seiner tiefsten Bedeutung liegt dem Wort Glaube das Bild von der Mutter zugrunde, die ihr Kind stillt.

Fast mein ganzes Leben als Christ lernte ich Dinge über YHWH. Ihm zu glauben, bedeutete für mich, Dinge über Ihn zu akzeptieren. In seinem Buch „The Influence of Greek Ideas And Usages Upon The Christian Church“ ( „Der Einfluss griechischen Gedankenguts und Brauchtums auf die christliche Kirche“) kommt Edwin Hatch zu derselben Schlussfolgerung. Hatch – er ist unter anderem Autor der „Konkordanz der Septuaginta“ – basiert seine Erkenntnisse auf jahrzehntelangem Studium der griechischen Kultur, in der wir zahlreiche Wurzeln der heutigen Kirche finden. Er schreibt:

„Was ich in dieser Vorlesung zu zeigen beabsichtige, ist die Veränderung, die das Wort Glaube durch den Einfluss zeitgenössischen griechischen Denkens erfahren hat, von dem schlichten Vertrauen auf Gott hin zu der Akzeptanz einer Serie von Prämissen – Prämissen der abstrakten Metaphysik.“

Er fährt fort:

„Warum vertraue ich Gott? Die Antwort war: weil Er weise, gut und gerecht ist. Die Prämissen waren folglich: Ich glaube, dass Gott weise ist, dass Er gut ist und dass Er gerecht ist. Glaube an Gott wurde zu dem Einverständnis mit gewissen Prämissen über Gott.“

Also an YHWH zu glauben, hieß nicht unbedingt, YHWH zu glauben. Das wurde im Laufe der Zeit dann noch deutlicher, als die Theologie beschloss, die Gebote und Weisungen YHWHs im Tenach für nichtig zu erklären. Und das Sahnehäubchen war, dass man behauptete, es in SEINEM Namen getan zu haben! Christen wurden bald zum „geistlichen Israel“, und damit beförderte man die Gebote und Weisungen YHWHs auf einen himmlischen Spielplatz. Von nun an hieß es: die Aussagen der Schrift allegorisieren, alles versinnbildlichen. Damit war der Startschuss für die Wettspiele gefallen: Welcher Bibellehrer konnte sich die besten Sinnbilder ausdenken? Der Teufel hatte einen großen Sieg errungen. Es war ihm gelungen, den Glauben zu einem bedeutungslosen, spiritualisierten, versinnbildlichten Begriff umzudefinieren.

Nächstes Mal werden wir unsere Diskussion über den Glauben fortsetzen. Dieses Wort ist so wichtig, dass wir uns eine angemessene Zeit für seine korrekte Definition nehmen sollten.

Schalom Alecheim!